Frühgeborene Babys vor Blindheit bewahren

Dr. Anthony Maida behandelt in der bolivianischen Provinz Cochabamba frühgeborene Babys. Er verhindert bei ihnen das Ablösen der Netzhaut, was zu unheilbarer Blindheit führen würde. Gleichzeitig bildet er Gesundheitspersonal aus, darunter Pflegende und Ärzte von Geburtsabteilungen, Kinderärztinnen und Studierende. 

Wie wichtig ist das Engagement der CBM?

Es ist absolut entscheidend. Die CBM verwirklicht das ROP-Projekt [Retinopathy of Prematurity; Netzhautablösung bei Frühgeborenen]. Auch wenn wir auf ausgebildete Ärztinnen und Ärzte zählen können, würde es ohne Unterstützung nicht laufen. Nicht nur ohne finanzielle, auch nicht ohne logistische – und nicht ohne alle diese Beteiligten: die Spenderinnen und Spender, das Verwaltungs- und Gesundheitspersonal sowie alle, die auf andere Weise dazu beitragen, das Leben unserer geliebten Babys zu verändern.

Das öffentliche Gesundheitssystem verfügt leider nicht selbst über Netzhautspezialistinnen und -spezialisten, die frühgeborene Babys rechtzeitig untersuchen und behandeln können. Die Familien müssen Alternativen im privaten Gesundheitssektor suchen, die sich aber häufig ausserhalb ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten befinden.

Verglichen mit Peru oder anderen Ländern Südamerikas, was ist speziell an Bolivien?  

Jedes Land, finde ich, hat seinen unverwechselbaren, eigenen Zauber, seine Stärken und Schwächen. Peru verfügt über mehr Fachpersonal, das sich auf Erkrankungen wie ROP versteht. In Bolivien müssen die Familien stärker um Chancen kämpfen, gerade auch bei Gesundheitsproblemen. Die Menschen schätzen daher den Wert von Nichtregierungsorganisationen und deren Projekte. Diese Projekte bilden die Pfeiler von spezialisierten medizinischen Diensten wie bei ROP.

Das CBM-Projekt bietet psychologische Hilfe. Weshalb?

Gabriela Solares ist die Psychologin in unserem Projekt. Sie hat viel Erfahrung darin, Familien seelisch zu unterstützen. Jahrelang hat sie zuvor in einem Amt für Minderjährige gearbeitet, die Vernachlässigung und Gewalt erlebten.

Psychologische Unterstützung ist entscheidend. Jedes Elternteil freut sich darauf, dass sein Kind sich gesund entwickelt und seine Träume verwirklichen kann. Eine verheerende Erkrankung wie ROP, die zu unheilbarer Blindheit führen kann, löst einen Trauerprozess aus. Von Verleugnung, über Wut bis zur Akzeptanz – ein sehr komplexer psychologischer Prozess, der fraglos von einer erfahrenen Person begleitet werden sollte. Dieses Verständnis zu haben und Eltern bedingungslos zu unterstützen, bestimmt den Erfolg unseres Projektes mit.

Augenlicht für frühgeborene Babys

ROP [Retinopathy of Prematurity; Netzhautablösung bei Frühgeborenen] ist eine der häufigsten vermeidbaren Ursachen für Blindheit bei Kindern weltweit. Durch zu hohe Sauerstoffzufuhr kann sich bei frühgeborenen Babys die Netzhaut ablösen. Dies führt zu unheilbarer Sehbehinderung oder Blindheit. Daher muss die Netzhaut eng überwacht und allenfalls medikamentös oder mit Laser behandelt werden. Im CBM-Projekt werden zudem Geburtsabteilungen unter anderem mit präzisen Sauerstoffreglern versehen und das Personal wird fortgebildet. In Bolivien benötigen ein bis fünf Prozent der Frühgeborenen die rettende Netzhautbehandlung.

Was motiviert Sie?

Wie alle starken Beweggründe stammen auch meine aus der Familiengeschichte. Ich war Medizinstudent, als meine Schwester an einem sehr aggressiven Krebs erkrankte, einem Knochenkrebs mit Metastasen. Sie wurde von den besten Krebsspezialisten Boliviens behandelt, denen es allerdings an Ethos und menschlicher Wärme mangelte. Sie gaben ihr nicht mehr Hoffnung als auf wenige verbleibende Monate, wofür ihr aber ein Bein amputiert werden müsse.

Gott und mein Wissen in Medizin gaben mir die nötige Kraft, um für die Rettung meiner Schwester nach Alternativen zu suchen. Durch eine Reihe von Ereignissen erlangte ich für meine Schwester einen Platz in einer angesehenen Klinik in Chile. Dort konnten wir in einem drei Jahre währenden Kampf den Krebs besiegen. Vor einigen Tagen hat meine Schwester übrigens die Ausbildung zur Optometristin abgeschlossen. 

Wegen dieses Wunders versprach ich Gott zweierlei: Mich erstens fortan völlig dem Medizinstudium zu widmen und dadurch denjenigen Menschen die bestmögliche Behandlung zu bieten, die an einer bislang in Bolivien nicht oder nur selten behandelten Krankheit leiden. Als zweites, Familien stets warmherzig und freundlich zu betreuen. Und nun vermag ich ihnen etwas vom Besten zu schenken, nämlich die Sehkraft.

Welche Erlebnisse haben Sie besonders berührt? 

Lassen Sie mich zwei gegensätzliche erzählen. Eine über vierzigjährige Mutter versuchte ihr ganzes Leben, ein Kind zu bekommen. Unglücklicherweise litt sie an einer Krankheit, die eine Schwangerschaft verhinderte. Sie beschreibt es als ein Wunder, dass sie dennoch eine Schwangerschaft herbeiführen konnte. Doch in ihrem Alter war sie risikoreich und mündete in eine frühzeitige Niederkunft. Ihr Kind kam nach nur 28 Schwangerschaftswochen zu Welt. Wir konnten die Augen des Babys rechtzeitig überwachen und die Netzhaut behandeln, wodurch sich keine unheilbare Netzhautablösung ereignete. Die Mutter geniesst jetzt die Zeit mit ihrem Baby, das nun keine Sehbehinderung davonträgt. 

Gegenwärtig betreue ich ein Baby, dessen Mutter noch eine Teenagerin ist und leider missbraucht wurde. Es ist nach nur 24 Schwangerschaftswochen zur Welt gekommen und hat überlebt. Die Mutter und Verwandte kommen es aufgrund der Familienverhältnisse nicht oft besuchen. Fast ohne Familienunterstützung kämpft es sich vorwärts, getragen von der Liebe der Pflegenden und der Ärztinnen und Ärzte. Auf unglaubliche Weise klammert es sich ans Leben. Mittlerweile entwickelt es sich gut, die Blutgefässe der Netzhaut inbegriffen. Wir betreuen das Kind eng, um es, wenn nötig, sofort zu behandeln. Es ist nicht allein. Auch solche Geschichten motivieren mich und mein Team sehr. 

Was stimmt Sie optimistisch?

Offen gestanden ist es schwer, in Bolivien eine Idee von Hoffnung und Optimismus zu haben. Man steht sozialen, fachlichen, kulturellen und vor allem wirtschaftlichen Barrieren gegenüber. Ein Projekt muss deshalb für vieles selbst besorgt sein, damit es überhaupt in Gang kommt.

Ein tiefes Verständnis für die raue Wirklichkeit erwarb ich mir vor einigen Jahren in einem Projekt zur Verhütung von diabetischer Netzhautschäden (aufgrund Zuckerkrankheit). Dort kämpfte ich mit, um die augenmedizinische Versorgung vorwärtszubringen. Mein Optimismus und meine Hoffnung beruhen heute darauf, dass ich entschieden, überzeugt und erfahren bin, über alles nötige Wissen sowie über ein ausgezeichnetes Team verfüge. Und wir von der CBM als einer zuverlässigen, starken Partnerin wesentlich unterstützt werden. 

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