Noch immer zurückgelassen
Der Entwurf der Strategie zur internationalen Zusammenarbeit 2025–2028 berücksichtigt Menschen mit Behinderungen bisher nur unzureichend.
Im Juni 2023 hat der Bundesrat den Entwurf der neuen Strategie zur internationalen Zusammenarbeit (IZA-Strategie) der Schweiz für die Jahre 2025 bis 2028 in die öffentliche Vernehmlassung gegeben. Die CBM Schweiz hat sich im Namen des Swiss Disability and Development Consortium (SDDC) an der Vernehmlassung beteiligt und ihre Forderungen für die Rechte von Menschen mit Behinderungen eingebracht.
Die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung ist ins Zentrum der IZA-Strategie gerückt und die Armutsbekämpfung und nachhaltige Entwicklung sind damit klar als zentrale Punkte der internationalen Zusammenarbeit definiert worden. Die vier vorgeschlagenen Hauptziele der vorliegenden Strategie haben das Potenzial, zur nachhaltigen Entwicklung im Sinne der Agenda 2030 beizutragen und gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der UNO-Behindertenrechtskonvention (UNO-BRK) und zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen zu leisten. Dafür sind jedoch Ergänzungen und Präzisierungen im Strategietext nun von zentraler Bedeutung.
Insbesondere ein Leitdokument wie die IZA-Strategie sollte die Grundprinzipien der Agenda 2030 in den Zielen, Kriterien und den Schwerpunkten des schweizerischen Engagements verankern und ihre Konsequenzen deutlich machen.
Dies bedeutet zum Beispiel, dass Daten nach verschiedenen Merkmalen – etwa Alter, Geschlecht und Behinderung – aufgeschlüsselt erhoben werden müssen. Nur so kann der Bund messen, ob diejenigen Menschen erreicht werden, die am meisten zurückgelassen werden. Der Bundesrat hat es leider versäumt, dieses Thema explizit zu nennen.
«Niemanden zurücklassen» heisst auch, dass sich die IZA-Strategie an Menschenrechtsabkommen wie der UNO-Behindertenrechtskonvention auszurichten hat. Fast zehn Jahre nachdem die Schweiz die UNO-BRK ratifiziert hat, genügt es nicht mehr, Menschen mit Behinderungen in der gesamten Strategie lediglich einmal ausdrücklich zu erwähnen und sie unter dem Sammelbegriff «benachteiligte Bevölkerungsgruppen» zu subsumieren. Die Rechte von Menschen mit Behinderungen müssen systematisch verankert und benannt werden. Nur so kann die Aussage, die Entwicklungszusammenarbeit fördere die soziale Inklusion, die Nichtdiskriminierung und Chancengleichheit für alle, glaubwürdig wirken. Denn die Realität zeigt: Inklusion geschieht nicht einfach – sonst würden Menschen mit Behinderungen nicht zu denjenigen zählen, die am weitesten zurückliegen.
Aus diesem Grund fordert die CBM schon lange, dass alle neu erarbeiteten Strategien des Bundes zur internationalen Zusammenarbeit, darunter eben auch die IZA-Strategie, die Rechte von Menschen mit Behinderungen gemäss der UNO-BRK systematisch verankern. Dasselbe empfahl auch der UNO-Behindertenrechtsausschuss in seinen «Abschliessenden Bemerkungen» an die Schweiz im März 2022.
Die IZA-Strategie ist immer auch an einen Finanzrahmen gebunden. Die vorgeschlagene Quote liegt erstmals seit 2013 unter 0,4 Prozent und erreicht damit einen Tiefstand der Schweizer Entwicklungsfinanzierung. Damit entfernt sich die Schweiz noch stärker vom international vereinbarten und von ihr anerkannten Zielwert von 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE). Noch 2011 sprach sich das Parlament für eine Erhöhung der öffentlichen Entwicklungshilfe (APD) auf 0,5 Prozent des BNE bis 2015 aus. Angesichts der dramatischen Situationen in vielen Partnerländern der Schweiz im Globalen Süden ist eine schrittweise Erhöhung der APD auf 0,7 Prozent des BNE (ohne Asylkosten) bis 2028 noch dringender notwendig als zuvor.
Ausserdem stellt der Strategieentwurf nicht sicher, dass finanzielle Mittel für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen reserviert sind und der UNO-BRK zuwiderlaufende Projekte und Programme nur dann weiterfinanziert werden, wenn sie in Übereinstimmung mit der UNO-BRK gebracht werden. Genauso müsste es sich für neue Projekte und Programme wie auch für Gelder verhalten, die die Schweiz an Dritte vergibt, sei es an Nichtregierungsorganisationen oder multilaterale Institutionen.
Das SDDC hat zudem starke Vorbehalte gegenüber der vorgeschlagenen Mittelzuweisung an die Ukraine. Erstens führen die 1,5 Milliarden Schweizer Franken für die Ukraine zu einer massiven Verschiebung der Prioritäten der Schweizer IZA. Zweitens werden diese Mittel nicht für eine umfassende und solidarische Unterstützung der Ukraine ausreichen. Aus diesen Gründen ist eine ausserordentliche Finanzierung für die Ukraine aus unserer Sicht unumgänglich.
Das SDDC hofft nun auf entsprechende Anpassungen in der finalen Fassung, sodass die Rechte von Menschen mit Behinderungen angemessen berücksichtigt und verankert sind und die internationale Zusammenarbeit ausreichend finanzielle Mittel zugesprochen bekommt, um zielführend agieren zu können.
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