«Nichts ohne uns» – auch in der internationalen Zusammenarbeit
Am 22. Mai 2024 hat der Bundesrat die neue Botschaft zur Strategie der internationalen Zusammenarbeit (IZA) 2025-28 veröffentlicht. Das Swiss Disability and Development Consortium (SDDC) fordert Bund und Parlament auf, das Budget für internationale Zusammenarbeit gemäss den internationalen Vereinbarungen der Schweiz zu erhöhen und ab sofort so einzusetzen, dass die Rechte von Menschen mit Behinderungen systematisch und umfassend berücksichtigt werden.
Das SDDC begrüsst, dass die neue Strategie zur Internationalen Zusammenarbeit (IZA) für 2025-28 nun das Kernprinzip «Niemanden Zurücklassen» der Agenda 2030 erwähnt. Dieses Prinzip, das im Strategieentwurf noch fehlte, ist vor allem für Menschen mit Behinderungen. Doch auf knapp 70 Seiten werden Menschen mit Behinderungen nach wie vor nur einmal explizit genannt. Subsumiert unter «benachteiligte und diskriminierte Gruppen» bleiben Menschen mit Behinderungen unsichtbar. Im Gegensatz dazu nennt die Agenda 2030 Menschen mit Behinderungen elfmal.
Inklusion als Querschnittsthema strategisch verankern
In der Strategie fehlt auch ein Verweis auf die UNO-Behindertenrechtskonvention (UNO-BRK) als für die Schweiz verbindlichen Rechtsrahmen. Die Konvention wurde von der Schweiz vor zehn Jahren ratifiziert und ist seit dem 15. Mai 2014 in Kraft. Sie enthält zwei Artikel mit Verpflichtungen einer behinderteninklusiven internationalen Zusammenarbeit: Artikel 11 zu Gefahrensituationen und humanitären Notlagen, und Artikel 32 zur internationalen Zusammenarbeit. 2022 stellte der UNO-Behindertenrechtsausschuss in seiner Überprüfung der Schweiz auch zu diesen Artikeln Defizite fest. Eine der Kernempfehlungen des Ausschusses ist, den Querschnittscharakter von Behinderung in allen Strategien und Programmen der internationalen Zusammenarbeit anzuerkennen. Denn Menschen mit Behinderungen können ihre Rechte nur erlangen, wenn sie in allen Bereichen angemessen berücksichtigt werden.
Zu den Kernzielen der IZA-Strategie gehören die Armutsbekämpfung und Förderung der nachhaltigen Entwicklung von Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt. Laut der UNO-Weltgesundheitsorganisation leben 80 Prozent aller Menschen mit Behinderungen im globalen Süden. Sie gehören oft zu den Ärmsten der Gesellschaft, denn Armut und Behinderungen verstärken sich gegenseitig. Daher kann nur eine inklusive Armutsbekämpfung zur nachhaltigen Entwicklung beitragen.
Inklusion als Querschnittsthema in der internationalen Zusammenarbeit beinhaltet zum Beispiel, zum Schwerpunktbereich Gesundheit auch die detaillierten Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen als zielführend zu nennen. Im Bereich «Menschliche Entwicklung» sollte inklusive Bildung, und in «Förderung neuer Technologien» das universale, für alle zugängliche Design genannt werden. Ebenso gehört inklusive, für alle barrierefreie Berufsbildung zur «nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung». Auch ist die Berücksichtigung von Mehrfachdiskriminierungen von Frauen und Mädchen mit Behinderungen im Themenbereich «Partizipationsrechte und Geschlechtergleichstellung» unumgänglich.
Nun muss bei der Umsetzung der Strategie darauf geachtet werden, dass Inklusion umfassend und systematisch in allen Programmen der Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe eingebettet wird. Das heisst unter anderem, dass Daten nach Alter, Geschlecht und Behinderung erhoben und ausgewertet, Organisationen von Menschen mit Behinderungen regelmässig und proaktiv konsultiert, und spezifische Richtlinien und Indikatoren angewendet werden. Für die Planung und Umsetzung dieser Massnahmen braucht es auch ein dafür reserviertes Budget.
Öffentliche Entwicklungsfinanzierung erhöhen und behindertenrechtskonform einsetzen
Im April bestätigte der Bundesrat, dass die Ukrainehilfe bis 2028 – 1.5 Milliarden Schweizer Franken – ganz aus dem Budget für die internationale Zusammenarbeit gedeckt werden soll. Dabei hatte die grosse Mehrheit der Teilnehmenden an der öffentlichen Vernehmlassung zur Strategie eine separate Finanzierung der Ukrainehilfe gefordert, um Programme zugunsten der Ärmsten im globalen Süden nicht zu gefährden. Auch in einer repräsentativen Umfrage der Eidgenössischen Technischen Hochschule von 2023 sprachen sich 58 Prozent der Befragten für eine Erhöhung der öffentlichen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit aus.
Die geplanten Budgetkürzungen untergraben die internationalen Vereinbarungen der Schweiz, einen angemessenen Beitrag zur Bekämpfung der globalen Armut und zur Erfüllung der nachhaltigen Entwicklungsziele zu leisten.
2015 stimmte die Schweiz den international vereinbarten Zielvorgaben zu, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für öffentliche Entwicklungsfinanzierung einzusetzen. Das Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) prognostiziert nun aufgrund der beschlossenen Kürzungen eine Quote von gerade 0,36 Prozent (ohne Asylkosten) für den Zeitraum 2025-28. Angesichts der wachsenden Armut infolge des globalen Klimawandels und sich häufender schwerer Katastrophen und Krisen sind jedoch grössere Investitionen in die Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe gefordert.
Vor zehn Jahren hat sich die Schweiz mit der Ratifizierung der UNO-Behindertenrechtskonvention ausserdem verpflichtet, alle finanziellen Mittel behindertenrechtskonform einzusetzen. Dem entsprechend muss ein spezifischer Teil des Budgets zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen eingesetzt, und in allen anderen Programmen für angemessene Vorkehrungen reserviert werden – auch in der internationalen Zusammenarbeit.
Mehr erfahren
- Botschaft des Bundesrats zur internationalen Zusammenarbeit 2025-28 (Mai 2024)
- Vernehmlassung zur Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2025-28 – Stellungnahme des Swiss Disability and Development Consortium
- Umfrage Globale Zusammenarbeit Schweiz 2023 (ETH NADEL)
- Empfehlungen des UNO-BRK-Ausschusses an die Schweiz (2022)
- UNO-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen
- WHO: Global report on health equity for persons with disabilities (2022)
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