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Behindertenrechtskonvention der UNO auch nach zehn Jahren ungenügend umgesetzt

Am 15. Mai jährt sich das Inkrafttreten des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UNO-BRK) in der Schweiz zum zehnten Mal. Mit dessen Ratifizierung hat sich der Bund verpflichtet, die Rechte von Menschen mit Behinderungen vollumfänglich umzusetzen. Dazu gehört auch, dass sie die von ihr geleistete internationale Zusammenarbeit und humanitäre Hilfe inklusiv gestaltet. Bis zur Realisierung dieses Ziels ist es allerdings noch ein weiter Weg, wie ein Blick auf die aktuelle Umsetzung und Beurteilung durch den zuständigen Ausschuss zeigt. Das Swiss Disability and Development Consortium (SDDC) fordert den Bund auf, diesen Verpflichtungen endlich nachzukommen und sie auch in seiner Strategie zur internationalen Zusammenarbeit 2025-28 zu verankern.

Was ist die UNO-BRK und warum ist sie so wichtig?

Das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UNO-BRK) trat auf internationaler Ebene 2008 in Kraft. 190 Staaten haben diesen völkerrechtlichen Vertrag inzwischen ratifiziert, darunter die Schweiz im Frühjahr 2014. Mit dem Übereinkommen wurde eine grosse Lücke geschlossen, da es jede Form von Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen verbietet und einen menschenrechtsbasierten Ansatz verankert. So sollen die Rechte aller Menschen mit Behinderungen gewährleistet werden. Die Staaten, die das Übereinkommen ratifizieren, verpflichten sich, Menschen mit Behinderungen grundlegende Rechte zu garantieren, z. B. Nicht-Diskriminierung, Barrierefreiheit und volle Teilhabe und Inklusion. Zum ersten Mal finden sich in einer Menschenrechtskonvention Artikel, die sich spezifisch mit humanitärer Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit befassen – hierbei handelt es sich um die Artikel 11 (Gefahrensituationen und humanitäre Notlagen) und 32 (Internationale Zusammenarbeit). Diese beiden Artikel zielen darauf ab, dass Akteure der internationalen Zusammenarbeit Menschen mit Behinderungen in sämtlichen Massnahmen aktiv miteinschliessen müssen.

Die darin beschriebenen Verpflichtungen sind deswegen so zentral, weil sie eine so grosse Anzahl von Personen betreffen. Laut WHO (2022) leben weltweit 1,3 Milliarden Menschen mit einer Behinderung und davon rund achtzig Prozent im globalen Süden – und eine Vielzahl in Armutsgebieten. Es ist daher äusserst wichtig, dass reiche Länder wie die Schweiz ihre internationale Zusammenarbeit für alle Menschen inklusiv gestalten.

Was hat die Überprüfung der Schweiz durch den Behindertenrechtsausschuss ergeben?

Im März 2022 hat der UNO-Ausschuss, der damit betraut ist, die Umsetzung der Konvention in den Mitgliedsstaaten zu kontrollieren, die Schweiz überprüft. Ausschuss formulierte anschliessend sogenannte «Abschliessende Bemerkungen», die die zentralen Empfehlungen an die Schweiz enthalten. Zu den relevantesten gehören aus der Sicht des SDDC die folgenden:

Humanitäre Hilfe (Artikel 11):

  • Es braucht einen Aktionsplan zur Umsetzung der Charta zur Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen in der humanitären Hilfe. Dieser muss unter Beteiligung von Organisationen von Menschen mit Behinderungen (OPDs) erarbeitet werden.

Internationale Zusammenarbeit (Artikel 32):

  • Die Schweiz muss Richtlinien verabschieden, um sicherzustellen, dass alle internationalen Kooperationsprogramme inklusiv für Menschen mit Behinderungen sind und nicht zur Segregation von Menschen mit Behinderungen beitragen.
  • Der Bund muss Menschen mit Behinderungen, einschliesslich Frauen mit Behinderungen, und ihre Vertretungsorganisationen in die Entwicklung und Überwachung von Strategien und Programmen zur internationalen Zusammenarbeit aktiv einbeziehen.
  • In allen humanitären und Entwicklungsprojekten muss der sogenannte OECD DAC Marker für Behinderung angewendet werden. Mit diesem kann gemessen werden, wie gross der Anteil der von der Schweiz finanzierten Projekte ist, die einen Fokus auf Menschen mit Behinderungen haben. Das Personal muss in der Anwendung dieses Markers geschult werden.

Mit dem genannten Aktionsplan zur Umsetzung der Charta kann die Schweiz konkrete und messbare Schritte für eine inklusive humanitäre Hilfe unternehmen. Durch die Verabschiedung von Richtlinien können Menschen mit Behinderungen systematisch in Planungsprozesse einbezogen werden. Und letztlich braucht es qualitativ hochstehende Daten, um Strategie und Programme zu informieren und zu stützen. Die Daten der Direktion für Entwicklungszusammenarbeit (DEZA) zeigen etwa, dass nur drei Prozent aller Projekte darauf abzielen, Menschen mit Behinderungen zu inkludieren. Während es positiv zu beurteilen ist, dass die Schweiz seit 2021 all ihre Projekte mit dem genannten OECD DAC Marker versehen, muss die Qualität der Daten vereinheitlicht und verbessert werden, um segregierende Effekte auszuschliessen.

«Der Schweiz bietet sich die Gelegenheit, Verpasstes aufzuholen und bis zur nächsten Überprüfung 2028 international eine Vorreiterrolle in der inklusiven internationalen Zusammenarbeit und humanitären Hilfe einzunehmen.»

Simone Leuenberger, Behindertenrechtlerin, Berner Grossrätin und Vorstandsmitglied der CBM Schweiz

Was sind die weiteren Forderungen des SDDC?

Das SDDC unterstützt diese Forderungen des Ausschusses ­und fordert den Bund zusätzlich auf, das Prinzip «Nichts über uns ohne uns!» anzuwenden. Demzufolge muss die Schweiz die volle und aktive Partizipation von Menschen mit Behinderungen in den genannten Bereichen sicherstellen. Ausserdem muss die Schweiz aktiv für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen budgetieren und dafür in ihrer internationalen Zusammenarbeit ausreichend finanzielle Mittel bereitstellen.

Im aktuellen politischen Prozess um die Strategie zur internationalen Zusammenarbeit (IZA) 2025-28 muss der Bundesrat seine Aufgabe ernst nehmen und darf nicht die Investitionen in die Länder des Globalen Südens kürzen. Er definiert die Reduktion von Armut als einen Schwerpunkt seiner Strategie. Investitionen in Programme und Projekte, die den Teufelskreis von Armut und Behinderung unterbrechen, präsentieren sich als höchst effizient. Eine Reduktion der Geldmittel wäre unsolidarisch und letztlich auch im Sinne einer stabilen internationalen Ordnung kontraproduktiv. Zudem würde der Bund Gefahr laufen, auf dem Weg, das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen umzusetzen, weiter ins Hintertreffen zu gelangen und bei der nächsten Überprüfung in vier Jahren schlecht dazustehen. Daher sind Menschen mit Behinderungen in der Strategie explizit als Priorität zu nennen. Der Zusammenhang mit anderen Zielen der Vereinten Nationen ist klar: Nur wenn die Schweiz und andere UN-Mitgliedstaaten Menschen mit Behinderungen in ihre nationalen Strategien einbeziehen, können die Agenda 2030 und die nachhaltigen Entwicklungsziele erreicht werden. Das Hauptziel der Agenda 2030 ist das Beenden von extremer Armut und «niemanden zurückzulassen» («Leave no one behind»).

Das SDDC fordert die Schweiz folglich auf, bis zur nächsten Überprüfung 2028 die vom Ausschuss und dem SDDC selbst formulierten Empfehlungen vollumfänglich umzusetzen und die Implementierung der UNO-BRK im Allgemeinen und der Artikel 11 und 32 im Besonderen voranzutreiben.

 

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