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«Nichts ohne uns» – auch in der internationalen Zusammenarbeit

28. Mai 2024

Die Schweiz verabschiedet alle vier Jahre ihre Strategie zur internationalen Zusammenarbeit (IZA). Im Juni 2023 schickte der Bundesrat seinen Entwurf der IZA-Strategie 2025-28 in die öffentliche Vernehmlassung. Am 22. Mai hat er nun die neue Strategie vorgelegt, eines jedoch bleibt beim Alten: Menschen mit Behinderungen werden weitgehend ausgeblendet.

Das Swiss Disability and Development Consortium (SDDC) begrüsst, dass die Strategie das Kernprinzip «Niemanden zurücklassen» der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung erwähnt. Dieses Leitprinzip, das im Strategieentwurf noch fehlte, ist vor allem für Menschen mit Behinderungen zentral. Doch auf den knapp 70 Seiten werden Menschen mit Behinderungen nach wie vor nur einmal explizit genannt. Subsumiert unter «benachteiligte und diskriminierte Gruppen» bleiben Menschen mit Behinderungen unsichtbar. Im Gegensatz dazu nennt die Agenda 2030 Menschen mit Behinderungen elfmal.

Dementsprechend versäumt es der Bundesrat in der neuen IZA-Strategie auch, auf die UNO-Behindertenrechtskonvention (UNO-BRK) als Rechtsrahmen zu verweisen. Die Schweiz hat die Konvention vor zehn Jahren ratifiziert und sich verpflichtet, diese umzusetzen. Die UNO-BRK befasst sich in den Artikeln 11 (humanitäre Hilfe) und 32 (Entwicklungszusammenarbeit) explizit mit einer behinderteninklusiven internationalen Zusammenarbeit. 2022 stellte der UNO-BRK-Ausschuss in seiner Überprüfung fest, dass die Schweiz auch diese Artikel nur ungenügend umsetzt.

Eine der Kernempfehlungen an die Schweiz war, in ihrer internationalen Zusammenarbeit den Querschnittscharakter von Behinderung anzuerkennen und die Inklusion strategisch zu verankern. Menschen mit Behinderungen können ihre Rechte nur erlangen, wenn sie in allen Lebensbereichen angemessen berücksichtigt werden. Das bedeutet, zum Beispiel im Bereich «Menschliche Entwicklung» inklusive Bildung einzubeziehen. Ebenso dazu gehört eine für alle zugängliche Berufsbildung zur «nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung». Auch ist es zwingend, Mehrfachdiskriminierungen von Frauen und Mädchen mit Behinderungen im Bereich «Partizipationsrechte und Geschlechtergleichstellung» zu berücksichtigen.

Armut und Behinderung zusammen denken

Die IZA-Strategie definiert die Armutsbekämpfung als ein wichtiges Kernziel. Umso unverständlicher ist es, dass Menschen mit Behinderungen im globalen Süden erneut vernachlässigt werden. Laut der Weltgesundheitsorganisation leben 80 Prozent der 1,3 Milliarden Menschen mit Behinderungen in Armutsgebieten im globalen Süden. Der Hauptgrund dafür ist, dass sich Armut und Behinderung gegenseitig verstärken. Daher kann nur eine inklusive Armutsbekämpfung zur nachhaltigen Entwicklung beitragen.

Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) muss deshalb während der nächsten vier Jahre bei der Umsetzung der IZA-Strategie die Inklusion von Menschen mit Behinderungen systematisch in ihren Programmen einbetten. Das heisst unter anderem, auch nach Behinderung aufgeschlüsselte Daten zu erheben und auszuwerten. Nur so wird ersichtlich, inwiefern ihre Projekte auch die Lebensbedingungen von Menschen mit Behinderungen tatsächlich verbessern. Ferner sollte die DEZA Organisationen von Menschen mit Behinderungen regelmässig und proaktiv konsultieren, wenn sie Strategien und Programme entwickelt, denn Menschen mit Behinderungen sind die Expertinnen und Experten für Inklusion. Für die Planung und Umsetzung dieser Massnahmen braucht es ein dafür reserviertes Budget. Mit der Ratifizierung der UNO-BRK hat sich die Schweiz verpflichtet, dass ein spezifischer Teil des Budgets zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen eingesetzt wird – auch in der internationalen Zusammenarbeit.

Nicht auf dem Rücken der Ärmsten

Im April 2023 bestätigte der Bundesrat jedoch, dass die Ukrainehilfe bis 2028 – 1,5 Milliarden Franken – ganz durch das Budget für die internationale Zusammenarbeit gedeckt werden soll. Dabei hatte die grosse Mehrheit der Teilnehmenden an der öffentlichen Vernehmlassung zur Strategie eine separate Finanzierung der Ukrainehilfe gefordert. Zu den Verlierern gehört der globale Süden. Subsahara-Afrika, vorher prioritäres Einsatzgebiet der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit, erhält nun nur noch 38 Prozent der Mittel. Insgesamt prognostiziert der Bund für den Zeitraum 2025 bis 2028 gerade mal 0,36 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) für die öffentliche Entwicklungsfinanzierung (ohne Asylkosten). Das ist gravierend angesichts der zunehmenden Armut im globalen Süden infolge des Klimawandels, Naturkatastrophen und anderer Krisen. Noch 2015 stimmte die Schweiz den international vereinbarten Zielvorgaben zu, 0,7 Prozent des BNE einzusetzen. 

Diese Budgetkürzung für den globalen Süden untergräbt die internationalen Vereinbarungen der Schweiz, einen angemessenen Beitrag zur Bekämpfung der globalen Armut und zur Erfüllung der nachhaltigen Entwicklungsziele zu leisten. Das SDDC fordert den Bund und das Parlament deshalb auf, das Budget für die internationale Zusammenarbeit der Schweiz zu erhöhen und ab sofort gemäss ihren internationalen Verpflichtungen so einzusetzen, dass die Rechte von Menschen mit Behinderungen systematisch und umfassend berücksichtigt werden.


Über das SDDC

Das SDDC (Swiss Disability and Development Consortium) ist ein Netzwerk mit Sitz in der Schweiz, das sich für die Rechte und die Inklusion von Menschen mit Behinderungen in der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz einsetzt.

Das SDDC wurde 2016 von der CBM Schweiz, FAIRMED und Handicap International Schweiz (HI) gegründet. Im Jahr 2019 trat die International Disability Alliance (IDA) dem Konsortium bei. Die CBM Schweiz beherbergt das Sekretariat. Die Arbeitsbereiche, Kompetenzen und Prioritäten der Mitglieder ergänzen sich thematisch und geografisch. Zusätzlich zur Advocacy-Arbeit sammelt, entwickelt und teilt das SDDC Fachwissen, Ressourcen und Informationen zur behinderteninklusiven Entwicklung.

Kontakt

Michael Schlickenrieder
Co-Leitung Kommunikation und Fundraising
Tel. 044 275 21 65
michael.schlickenrieder@STOP-SPAM.cbmswiss.ch

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