Kann Schweiz Wandel für Menschen mit Behinderungen herbeiführen?

12. Juli 2023

Als nichtständiges Mitglied im UNO-Sicherheitsrat bietet sich der Schweiz bis Ende 2024 die Gelegenheit, die Inklusion von gefährdeten Gruppen in Konfliktsituationen auf höchster diplomatischer Ebene zu thematisieren. Gute Ansätze sind auszumachen, aber sie reichen noch nicht aus.

Am 20. Juni 2023 jährte sich zum vierten Mal die Verabschiedung der Resolution 2475 über den Schutz von Menschen mit Behinderungen in bewaffneten Konflikten. Die Resolution des Sicherheitsrats verpflichtet alle UNO-Mitgliedstaaten und Akteure bewaffneter Konflikte, Menschen mit Behinderungen in Konfliktsituationen zu schützen und sicherzustellen, dass sie Zugang zur Justiz, zur Grundversorgung und zu humanitärer Hilfe haben. In der Resolution werden die Mitgliedstaaten ausserdem aufgefordert, die Beteiligung und Vertretung von Menschen mit Behinderungen und der sie vertretenden Organisationen bei humanitären Massnahmen, der Konfliktvermeidung und -beilegung zu ermöglichen.

Menschen mit Behinderungen besonders gefährdet

Die Verabschiedung dieser Resolution war von entscheidender Bedeutung, um die Sichtbarkeit von Menschen mit Behinderungen zu erhöhen, da sie von bewaffneten Konflikten überdurchschnittlich stark betroffen sind. Unüberwindbare Barrieren bei der Evakuierung und beim Transport sowie unzugängliche Notfallwarn- und Informationssysteme setzen Menschen mit Behinderungen in Konfliktsituationen einem sehr hohen Risiko aus – mit gravierenden Folgen. Dennoch bleibt die Umsetzung der Resolution eine Herausforderung: In den letzten vier Jahren wiesen nur gerade sieben von über 200 weiteren Resolutionen des Sicherheitsrats einen Bezug zu Menschen mit Behinderungen auf.

Während ihrer zweijährigen Amtszeit als nichtständiges Mitglied des Sicherheitsrats hat die Schweiz bis Ende 2024 die Gelegenheit, mit gutem Beispiel voranzugehen und einen stärkeren Fokus auf die Inklusion von Menschen mit Behinderungen in bewaffneten Konflikten zu legen. Auch wenn die Schweiz den Schutz der Zivilbevölkerung explizit als Priorität definiert hat, müssen Menschen mit Behinderungen als eine der gefährdetsten Gruppen stärker berücksichtigt werden. Ebenso muss die Schweiz sicherstellen, dass Menschen mit Behinderungen in ihre anderen Schwerpunkte einbezogen werden, nämlich die Förderung eines nachhaltigen Friedens, die Stärkung der Effizienz des Sicherheitsrats und die Klimasicherheit.

Menschen mit Behinderungen sichtbar machen und inkludieren

Einige positive Schritte hat die Schweiz bereits unternommen, etwa durch die Finanzierung eines Projekts, das den Zusammenhang zwischen Instrumenten des humanitären Völkerrechts und menschenrechtsbasierten Richtlinien in Konfliktsituationen stärkt.

Am Rande der 16. Konferenz der Vertragsstaaten der UNO-Behindertenrechtskonvention (UNO-BRK) hat die Schweizer Vertretung in New York im Juni eine Veranstaltung mitorganisiert, an der Menschen mit Behinderungen, Mitglieder des UNO-Ausschusses und weitere Expertinnen und Experten teilnahmen. Im Fokus stand die Frage, wie die Rechte von Menschen mit Behinderungen und das humanitäre Völkerrecht besser miteinander verknüpft werden können.

Solche Ansätze sind zu begrüssen, doch sie reichen nicht. Die CBM Christoffel Blindenmission fordert die Schweiz daher auf, eine aktivere Beteiligung von Menschen mit Behinderungen im Sicherheitsrat zu ermöglichen. Etwa indem sie für mindestens eine offene Debatte eine Person mit Behinderung einlädt, um den Mitgliedern des Sicherheitsrats die Auswirkung bewaffneter Konflikte auf Menschen mit Behinderungen zu erläutern. Denn Menschen mit Behinderungen sind die Expertinnen und Experten, was ihre Inklusion betrifft.

Ausserdem müssen Menschen mit Behinderungen in Berichten und Erklärungen ausdrücklich erwähnt werden, anstatt sie unter «benachteiligten» oder «besonders gefährdete Gruppen» zu subsumieren. Nur so kann sichergestellt werden, dass Menschen mit Behinderungen nicht doch wieder in Vergessenheit geraten.

Mit der UNO-BRK, die von 186 Staaten, darunter auch der Schweiz, ratifiziert wurde, sind Menschen mit Behinderungen und ihre Rechte allmählich auf der internationalen politischen Agenda angekommen. Diese Tendenz muss sich endlich auch in konkreten Gesetzen und Praktiken in Zusammenhang mit Krieg und Frieden widerspiegeln. Darauf müssen die Schweiz und andere Mitglieder des Sicherheitsrats, der UNO-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen, alle relevanten UNO-Organisationen sowie die Zivilgesellschaft hinarbeiten. Sonst bleibt die Situation von Menschen mit Behinderungen in Konfliktsituationen weiterhin fatal.


Weitergehende Informationen

Über die CBM

Die CBM Christoffel Blindenmission ist eine international tätige, christliche Entwicklungsorganisation und fördert Menschen mit Behinderungen in Ländern des Globalen Südens. Sie leistet Entwicklungszusammenarbeit sowie humanitäre Hilfe und ermöglicht, dass Behinderungen vorgebeugt sowie Menschen mit Behinderungen medizinisch betreut und inklusiv gefördert werden. Ihr Ziel ist eine inklusive Gesellschaft, in der niemand zurückgelassen wird und Menschen mit Behinderungen eine verbesserte Lebensqualität haben. Die CBM Schweiz führt das Zewo-Gütesiegel und ist Partnerorganisation der Glückskette.

Kontakt

Michael Schlickenrieder
Co-Leitung Kommunikation und Fundraising
Tel. 044 275 21 65
michael.schlickenrieder@STOP-SPAM.cbmswiss.ch

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